Abseits der „normalen Realität“, die aussah wie Hansi, Elfi, oder Dingsbums, begann sich nun scheinbar (oder wirklich) eine neue Scheinrealität aufzutun die offensichtlich vorhatte meine Kristallkugel zu ersetzen. Sie sah aus wie ein absolut durchsichtiger Mensch(?), wie ein Gott(?), vielleicht wie ein Dämon(?), sicher aber nicht wie ein Troll!

Zuerst schenkte ich diesem Phänomen immer weniger Beachtung – es begleitete mich eben wie eine Vorstellung einen vom Verfolgungswahn gezeichneten Irren begleitet. Sonst war da aber nichts...und was kann man von einem Troll schon erwarten?! Dann bemerkte ich plötzlich, daß dieses Etwas anscheinend immer ein Zeichen hinterließ, wenn es sich wieder verflüchtigte, oder verflüssigte, wie eine Fata Morgana in der heißen Luft.

Zuerst schenkte ich diesen seltsamen Zeichen, die aussahen wie Briefumschläge, oder wie kleine Pandora-Büchsen, keine Aufmerksamkeit, doch dann eines Tages siegte die Neugierde und ich versuchte ein solches Nichts vom Boden aufzuheben, bevor es sich auflöste.

Zu meiner panischen Überraschung griff ich keineswegs ins Leere, sondern das Nichts nahm Gestalt an, verwandelte sich in beschriebenes Papier! Ich weiß nicht ob es sich dabei um einen Brief handeln sollte, oder um einen Bericht aus der Zukunft...jedenfalls konnte ich lesen was drauf stand. Und was ich las versetzte mich in Verwunderung.

Da stand:
Mein Name ist „Gozilla Gottshäuser“. Ich verwalte die Annalen der Ewigkeit. Aber ich verwalte sie nicht nur, sondern ich komme auch immer wieder körperlich darin vor. Wer mich real sieht, der erblickt vielleicht für einen Augenblick (seinen letzten) einen Soldaten Karls des Großen, einen griechischen Philosophen mit dem Schierlingsbecher, einen Raumfahrer aus dem 4. Jahrtausend nach Irgendwer, der gerade in ein Pseudo-Schwarzes Loch saust. Wer mich aber als Glasfigur erlebt, die überall auftauchen und auch wieder verschwinden kann, der sollte sich in acht nehmen, denn dann sollte er aufgeschlossen und tolerant sein, wenn er meine Botschaften erhält.

Ich habe den Hunnensturm mitgemacht, die Verbotene Stadt des Kaisers von China betreten, ich habe die Pesttoten verbrannt und Suleiman dem Prächtigen die Stange gehalten, als er seine Truppen nach Wien marschieren ließ. Ich habe die Pyramiden erbaut und die Pharaonen gestürzt, ich habe Kleopatra geliebt und ihr Bild mit der Zeit so sehr verzerrt, daß sie sich 2000 Jahre später kein bisschen mehr ähnelt. Ich war bei den Mördern Cäsars, die glaubten das Schlimmste verhindern zu können / müssen...

Ich habe die Naivität eines deutschen Kanzlers so sehr geschürt, daß er anfing sich für unbesiegbar zu halten, ich habe mit Stalin zusammen unzählige Urteile unterschrieben und ich bin als Schatten auf der Mondoberfläche gelandet, als die Raumfahrt noch gar nicht angedacht war, ohne Schaden anzurichten. Ich habe den Untergang von Reichen und Systemen geplant und ich habe – was vielleicht das Wichtigste von allem was ich getan habe – mit den Engeln, die manche für Elfen und manche für Aliens halten, die Erdenwelt plattgemacht.

Aber darauf müsst ihr noch ein wenig warten, wenn auch nicht mehr sehr lange. Jetzt jedenfalls bin ich durch das Medium „Zeit“ gereist um einen Dummen zu finden, der für mich kundtut was Sache ist. Aber keine Sorge, lieber, kleiner, unscheinbarer Troll...du kannst alles was ich dir mitteile weitergeben – es wird dir niemand glauben!

Gez. Gozzilla Gottshäuser / die 1.

-

Erschrocken ließ ich das Schriftstück fallen und es verwandelte sich sofort wieder in eine verschwommene Flimmerfahne zurück, bevor es sich komplett auflöste.

Aha, sagte ich zu mir – jetzt bist du also verrückt geworden, nein, noch verrückter wollte ich eigentlich sagen, denn für verrückt hielten mich die andern ja sowieso.
Was ich jetzt brauchte war eine irdische Zerstreuung!

Ich sah in den Spiegel, versuchte mich gut zu finden und baute mich zu voller trollloser Ungröße auf, damit ich an mich glauben konnte. Dann ging ich zu einer Party, fing plötzlich zu tanzen an und versprach der Traumtänzerin, die ich in den Armen hielt, das Blaue vom Himmel herunter. Zu meinem Glück hatte ich die Einladung zu diesem Event nicht vergessen!

Gegen 3 Uhr nachts war ich dann sturzbetrunken und machte mich auf den Heimweg. Mein Troll trottete hinter mir her. Wie ich nach Hause fand ist mir bis heute schleierhaft. Vielleicht hat mein Troll mir übernatürliche Kräfte auf einem Gebiet verliehen, wo er es noch nie getan hat. Vielleicht hat das Holodeck die Steuerung meines Körpers übernommen, oder vielleicht watete ich auch nur durch einen Traum, um mich von einem Traum zu erholen, den so nur ich träumen konnte.

Zuhause schlug ich die Wohnungstüre zu, erinnerte mich noch kurz an mein heutiges Abenteuer, das, wie sollte es bei mir anders sein, mit einem flüchtigen Küsschen und einer Verabredung endete die ich nicht einzuhalten gedachte - und fand mich wieder in einem ganz neuen Phänomen...
Ich konnte plötzlich im Dunkeln sehen! Überall flammten kleine, imaginäre Lichter auf. Der Gang war schummrig erhellt. Den Weg zum Schlafzimmer fand ich problemlos.
Dort saß Dingsbums laut jammernd auf dem Bett und beklagte sich: „Diese verdammten Scheißfüße! Immer muss ich Schmerzen haben! Bei mir ist aber auch alles nichts!“

Ich wusste wie recht sie hatte...alle ihre Verwandten hatten was an den Füßen. Aber was konnte ich dagegen machen?! Um warum war sie noch, oder schon wieder auf?
Ich fragte mich ob es für mich nicht besser gewesen wäre in der Zeit des Hunnensturms gelebt zu haben, oder mit Suleiman dem Prächtigen nach Wien marschieren zu sein, als andauernd dieses keifende Weib erdulden zu müssen, das mir mein Leben zum Inferno machte.

Doch dann wurde mir – trotz meiner alkoholischen Benebelung – bewusst, daß ich froh sein konnte überhaupt jemanden zu haben, der sich über alles auf der Welt ärgern konnte. Ich stopfte mir Ohropax in die Löffel und flüchtete in meine Alpträume, die wahrscheinlich niemand realer erlebte als ich.
Mein Glück übermannte mich rücksichtslos, ich verdrehte die Augen und war dann mal weg!

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  28

© Alf Glocker


© Alf Glocker


3 Lesern gefällt dieser Text.




Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  28"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  28

Autor: Sonja Soller   Datum: 22.09.2022 11:48 Uhr

Kommentar: Sehr lesenswert, dein Leben als Troll, lieber Alf,
das Bild passt dazu!!!!

Herzliche Grüße aus dem trolligen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  28

Autor: Alf Glocker   Datum: 22.09.2022 17:07 Uhr

Kommentar: Danke dir herzlich

LieGrü aus dem trolligen Süden

Alf

Kommentar schreiben zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  28"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.